Der Ideengeber

 

Der Teilnehmer Sebastian Kleff stellt sich vor

Sebastian, wie bist du nach Mülheim an der Ruhr gekommen?

Kleff: Seit April 2010 bin ich lebendiger Teil der Ausstellung 2-3 Straßen in Mülheim. 19 Menschen aus nah und fern zogen im Januar diesen Jahres in das Hochhaus am Hans-Böckler-Platz 7/ 9 ein, um gemeinsam kreativ zu sein und die „vertikale Straße“ – wie wir sie nennen – zu verändern. Auch zwei für das Ruhrgebiet normale Straßen in Duisburg und Dortmund gehören zur Arbeit des Künstlers Jochen Gerz für RUHR.2010. Die Mentalität der Menschen im „Pott“ gefällt mir und ich wollte schon immer in einem Hochhaus wohnen. Als ich im April das Glück hatte, in eine der Wohnungen nachzurücken, begann ich natürlich mir Gedanken um meine neue Umgebung zu machen – baulich wie menschlich. Höchst interessant finde ich, wie die Bewohner in meinem neuen Zuhause verdichtet auf 20 Stockwerken in 200 Wohnungen leben. Zudem ist es spannend zu sehen, wie die künstlerische Arbeit 2-3 Straßen hier wirkt. Unter dem Motto „Jeder ist kreativ!“ sind wir angetreten, schreiben täglich einen Beitrag in das Buch und reißen unsere Nachbarn mit. Neben dem Schreiben gibt es noch mehr Möglichkeiten für die „alten“ Mieter Ideenreichtum zu beweisen. Hand in Hand mit den Neuen veranstalten sie so Einiges, haben Projekte ins Leben gerufen und vernetzen sich mit ihrer Umwelt. Eines dieser Angebote ist die Einladung an HOT SPOTS mitzuwirken. Auf Gemeckere bin ich dabei nicht aus; eher möchte ich, dass die Mülheimer über sich und ihre Stadt reflektieren, erfinderisch werden, Lösungen finden, mit anpacken. Alle sind eingeladen ihre bedeutsamen Orte – positive sowie negative – zu benennen. Dadurch entsteht eine psychogeografische Karte der Stadt, die auf einen Blick erkennen lässt, was und wie die Bürger empfinden.

Wie bist du auf die Idee der HOT SPOTS gekommen?

Kleff: Man kommt in eine neue Stadt und denkt häufig das Selbe: Grau in grau, Stein auf Stein. Aber ich als Optimist sage: „Unter dem Pflaster liegt der Strand“. Dieser Slogan aus dem Situationismus, einer künstlerischen Bewegung der 1960er Jahre, brachte mich zum Nachdenken. In meinem Leben habe ich an den verschiedensten Orten gelebt und mich immer wieder mit meiner neuen Umgebung auseinander gesetzt. Wer gestaltet eine Stadt? Sind es die Bürger oder die Politiker? Es sollten doch beide sein. Dafür müssen die Politiker und Stadtplaner aber in die Bevölkerung hinein horchen. Die Psychogeografie tut genau das. Indem sie das subjektive Erleben des Einzelnen in Bezug auf seine Stadt einfängt, bildet sie die Schnittstelle von Kunst und Politik, Architektur und Wirklichkeit. Also, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Wünsche äußern! Nur dann kann sich etwas verändern. In Ihre Richtung!

Was sind denn deine eigenen HOT SPOTS?

Kleff: Spontan fallen mir zwei grüne HOT SPOTS ein. Das Rumbachtal und die Untere Ruhrtalbahn zwischen Mülheim-Styrum und Essen-Kettwig. Zu Beginn meiner Umfrage schwärmte die Anwohnerin Frau Lixenfeld dermaßen vom Rumbachtal, dass ich es mir selbst anschauen musste. Und sie hatte Recht. Das Tal ist wirklich eine Ausflugsidylle, wo kleine Bäche die hügelige Landschaft hinunter plätschern. Dort komme ich zur Ruhe. Oder bei Spaziergängen auf der stillgelegten Bahntrasse „Untere Ruhrtalbahn“. Dort gefällt mir besonders die Ruhrbrücke, eine ehemalige Eisenbahnbrücke, als Wahrzeichen der Industriekultur.

Du erzählst von Schwärmereien einer Anwohnerin. Wie bist du an die HOT SPOTS der Mülheimer gekommen?

Kleff: Die ersten 150 Punkte habe ich mit Unterstützung von 2-3 Straßen erfragt. Ausgerüstet mit Stadtplan, roten und grünen Klebepunkten, Klemmbrett und Fragebögen. Begonnen habe ich mit meinen Nachbarn, den Bewohnern der vertikalen Straße, mir ihre Ansichten und Geschichten angehört, Punkte geklebt. Die Karte wurde immer voller und eine Geografie der „mölmschen Psyche“ begann sich abzuzeichnen. Mir war es wichtig, dass die Personen spontan antworteten. Assoziativ. Rot. Grün. Danach ging es weiter: In der Fußgängerzone und auf dem Stand von 2-3 Straßen im Einkaufszentrum FORUM während der 'Local Hero'-Woche. Vorher hatte ich gewettet, dass es mehr grüne als rote Punkte geben wird und habe gewonnen: Es gibt doppelt so viele grüne wie rote HOT SPOTS! Danke, liebe Mülheimer! Nun hoffe ich nach einem Artikel in der WAZ und dieser Website auf zahlreiche neue Stimmen.

Und was hast du nun mit den mölmschen HOT SPOTS vor?

Kleff: Dieses Projekt ist für mich Kunst. Auf originelle Art erzählt es die Geschichten der Mülheimer und zeigt ihre ganz persönlichen Ansichten. Es ist ein Geschenk an sie. HOT SPOTS gibt den Menschen eine Stimme, die Orte aus den verschiedensten Gründen bedeutsam macht. Es ist ein Geschenk an die Stadt. Bei der Stadtplanung können die Ansichten und Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden.
Und es ist ein Geschenk an mich. 2-3 Straßen endet am 31. Dezember 2010, aber die Geschichten der Menschen bleiben. In meinem Kopf. Und ich in ihren Köpfen.